Somatische Integration

Nachhaltige Veränderung somatischer Funktion vollzieht sich durch die leiblich-sinnliche Erfahrung einer sich im Innern vollziehenden Wandlung.


1. (Über)-leben ...

... ist als die basale Integrationsstufe zu verstehen.

Mit der Grundfunktion des Standing entscheidet sich die Existenz zum Positiven, zum Leben. Mit Ihrer Behinderung, der Retraktion, naht mit dem Erstarrungszustand, der Tod. S. Porges führt diesen Freeze-Zustand auf eine spezifische, autonome Reaktion des dorsalen Vagusanteils zurück.

Störungen auf dieser Entwicklungsstufe gehen auf das Erleben existenzbedrohender Traumatisierung zurück. Nahtodeszustände unter der Geburt, nach Unfällen oder Operationen, aber auch vorgeburtliche Einflüsse extremer Überforderung, die nachgeburtliche Zeit im Brutkasten und dem Erleben lebensbedrohender sozialer Isolation sind typische Zustandsbilder, die bei der Exploration (Walk)  gesehen und bearbeitet werden. Prinzipiell ist aber jede Überforderungssituation, die traumatisierend  erlebt wird in der Lage die Grundfunktion des Standing im Sinne der Retraktion zu behindern und ein Störungsbild auszulösen.

Die im Walk erlebte Lösung in Form der Entscheidung für das Leben kann im Folgenden noch verankert werden, indem reflektiv das Erleben des Patienten zur Sprache kommt. Als typische Bewegung in die Lösung kann das Pendeln aus dem Stop-Reflex dienen - am Atem kann das schreckhafte Stocken erfahrbar gemacht werden, das sich im entspannten Einatmen löst.


2. Wachsen ...

... umfasst die weiteren Stufen, in denen sich das Individuum die beiden verbleibenden  räumlichen Dimensionen (vorne-hinten und rechts-links), sowie die zeitliche Dimension erschliesst.


Facing...

.... beschreibt die Urform des Aktions-Modus (Sympathikus) und seine Verhinderung entsprechend die Stagnation. Ausgelöst durch die Landau-Reaktion oder Grünlicht-Reflex (n. Hanna) kann sie als Anpassungsreaktion auf eine Überflutung mit Leistungsimpulsen verstanden werden - ein typisches Störungsbild in den modernen Industriegesellschaften also.

Im Walk erscheint häufig die Lösung in Form der kräftigen Schritte nach vorne und der Lösung aus der Stagnation als Individuationsvorgang. Ein langsames Pendeln aus dem Grünlicht-Reflex kann dies Erfahrung noch vertiefen helfen. Am Atem ist die Fähigkeit zum entspannten Ausatmen als neu gewonnene Freiheit zu beobachten.


Handling ...

... entsteht als Grundfunktion aus der optimalen Zusammenarbeit der rechten und linken Hirnhälfte bzw. Körperhälfte. Je besser sich die komplementär zueinander funktionierenden Seiten ergänzen, desto besser das Ergebnis. Beeinträchtigend wirken Anpassungserscheinungen an asymmetrisch auf das System einwirkende Traumata mit dem Ergebnis der Lateralisierung und des damit verbundenen Seitenbezugs und Leistungsverlusts. Auch die einseitig bevorzugte Funktion von z.B. Linearität und zielgerichteter Funktion (linke Hemisphäre) kann sich asymmetrisch lateralisierend auswirken. Ziel der Integration ist dann die Wiederherstellung des ausgewogenen Kooperationsmusters.

Die befreiende Erfahrung der in Gang kommenden Verbindung beider Seiten rechts und links - Intuition und Ratio sind oft Lösungsszenarien im Walk. Die beidseitige Pendelbewegung aus dem Trauma-Reflex-Muster kann die Seitenkommunikation wieder begünstigen. Im Atem sind die Phasenübergänge von Aus- und Einatmung bedeutsam als Mittler der Wandlung.


Timing ...

... ist Ausdruck der Grundfunktion von Kohärenz im System und damit verbundener Effizienz - die optimale Abstimmung und Verschränkung aller Abläufe. Als Beeinträchtigung: die Ineffizienz durch Verzicht auf einzelne Subkompartimente - im übertragenen Sinne die Auflösung der Ganzheit - eine Dissoziation integraler Bestandteile, die für das Ganze von großer Bedeutung sind. Ziel der integrativen Arbeit ist ein Erreichen des Flow, der optimalen Einstimmung nach Innen und Abstimmung nach Außen.

Im Walk können abgespaltene Inhalte zu Tage treten, die im Augenblick ihrer Wahrnehmung eine neue Ordnung, neue Sinnzusammenhänge entstehen lassen. Besondere Bedeutung kommt dem Erspüren der Atmung und ihrer Verbindung zu Herzschlag und Wahrnehmungen im Bauchraum zu. Der Body-scan als nach innen gerichtete Achtsamkeit und die Ausführung fließender Körperbewegungen mit Visualisation wie im Chi Gong können helfen, die Kohärenz von leiblichen Funktionen zu erhöhen. 


3. Anderen nahe sein ...

Aus dem Aktions-Modus in den Kommunikations-Modus (Kommunikative Immobilität- der ventrale Vagus n. S. Porges) einzutreten ist das Trachten jedes Menschen, wenn es nach den Großen der systematischen Therapien geht. Bevor dabei die authentische Bildung von Gruppenkommunikation eintritt werden häufig die Pseudokommunikation und eine Krisensituation mit Besinnen auf das authentische Bedürfnis durchschritten. Ergebnis ist die nach dem Wohl der Gruppe strebende Gemeinschaft - ein eigener neuer Organismus, der sich aus Einzelindividuen zusammensetzt. 

Hierzu sind im transformativen Prozeß die systematischen Bezüge innerhalb der Familie, der Generationen, einer Gesellschaft Gegenstand der Arbeit mit dem Ziel der Verständigung, der Zusammenarbeit, der Kooperation. Dabei steht der Wunsch jedes Individuums nach Geborgenheit und Verständigung im Mittelpunkt des Interesses.

Moderne Konzepte der systemischen Familientherapie beschreiben diese Vorgänge in verblüffender Ähnlichkeit zu den Gepflogenheit sozialen Zusammenlebens in vielen indigenen Kulturen (z.B. Hoʻoponopono im Pazifik-Raum).

Im Walk finden sich häufig Konflikte und Versöhnungen zwischen Individuen und Gruppen über die Generationen hinweg und münden in eine  Verständigung ein. Auf leiblicher Ebene finden sich körperliche Nähe, Geborgenheit und Halt als Korrelate. Methoden wie ein Erspüren des Atems anderer in engem körperlichen Kontakt sind in in unserem Kulturkreis nur im sorgsam vorbereiteten setting leicht umsetzbar.